Interview: «Es muss endlich wieder Leben einkehren!»



Geschlossene Türen, abgesagte Veranstaltungen: Der Kulturbetrieb «Gare de Lion» leidet unter der Corona-Krise. Dennoch erfahre man in der schwierigen Zeit grosse Solidarität, erklären Mike Sarbach, Mitglied der Betriebsleitung, und Manuel Quinter, Präsident des Vereins Kulturzentrum Wil, im Interview.

Als erstes natürlich eine aktuelle Frage: Wie ergeht es euch derzeit in der Corona-Krise? 

Manuel Quinter: Die Lage ist angespannt. Unsere Reserven sind aufgebraucht und aktuell warten wir auf einen Bescheid bezüglich Ausfallentschädigung des Kantons. Die betrieblichen Aktivitäten wurden auf das Notwendigste heruntergefahren. Knapp zwanzig Personen sind für Kurzarbeit angemeldet. Aber wir brennen darauf, endlich wieder Veranstaltungen durchführen zu können.

Vor allem seit Mitte der 90er Jahre kennt man die (ehemals) Remise Wil über die Kantonsgrenze hinaus. Was denkt ihr, ist der Grund, dass man sich so viele Jahre lang behaupten kann? Insofern auch, als sich das Ausgehverhalten der Leute immer wieder wandelt… 

Mike Sarbach: Mit jährlich bis zu 80 Veranstaltungen gehören wir zu den grössten Kulturbetrieben in der Ostschweiz. Das vielfältige Programm vor allem in den Sparten Konzert und Kleinkunst, aber auch im Partybereich, spricht ein Publikum von jung bis alt an. Gerade bei Konzerten gelingt es uns immer wieder, in der entsprechenden Szene bekannte Namen in familiärer Atmosphäre präsentieren zu können. Zusammen mit der inzwischen über 30-jährigen Tradition als Kulturinstitution hat der Gare de Lion bei vielen Kultur- und Musikbegeisterten einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht. So verkaufen wir regelmässig auch Tickets in andere Sprachregionen der Schweiz und ins angrenzende Ausland. Besondere Herausforderungen gibt es im Partybereich, da sich das Ausgeh- und Mobilitätsverhalten der jüngeren Generationen über die letzten Jahre merklich verändert hat und die Konkurrenz stetig gewachsen ist.

Wenn ihr auf die Geschichte zurückblickt: Was war das herausragendste Ereignis, an das ihr euch besonders gut erinnern könnt? 

Manuel Quinter: Es gab in den letzten Jahren unzählige kleine und grosse Highlights; besonders in Erinnerung bleibt zweifellos das Jubiläumsfestival «Gut gebrüllt, Löwe!» im Jahr 2014, mit welchem wir ein Vierteljahrhundert Kultur hinter dem Silo gefeiert haben. Daraus ist bekanntlich unser Clubfestival «Fête de Lion» entstanden, welches im Zweijahresrhythmus jeweils über zweitausend Musikliebhaber*innen nach Wil lockt.

Derzeit gibt es wohl so viele Herausforderungen für die Kulturbranche wie noch nie. Wie meistert ihr das?

Mike Sarbach: Von den rund 60 Mitarbeitenden sind nur drei Personen festangestellt; der Rest arbeitet ehrenamtlich, für Pauschalbeträge, auf Stundenlohnbasis oder als Freelancer*innen. Ohne Veranstaltungen fallen deutlich weniger Personalkosten an. Das gibt uns zwar Luft, ist aber sowohl für die betroffenen Personen als auch für unseren Betrieb nicht unproblematisch. Der Zusammenhalt unseres Teams basiert auf dem gemeinsamen Durchführen von Anlässen – und aktuell finden nicht einmal die Betriebsgruppensitzungen statt. Der Umstand, dass man sich weniger trifft und austauschen kann, behindert auch die Entwicklung von kreativen Ideen und Projekten. Die Sommerbar konnten wir nicht zuletzt dank ausserordentlicher Initiative und Engagement von Mitarbeitenden und freiwilligen Helfer*innen realisieren. Trotzdem hatten wir einige Projekte angedacht, beispielsweise eine Winterbar mit Marktständen, weitere Streaming-Events oder eine ganze moderierte Fernsehshow mit Diskussionen und Kulturhäppchen. Aufgrund fehlender finanzieller Ressourcen konnte aber keines der Projekte realisiert werden. Wir konzentrieren uns daher auf die Vorbereitungsarbeiten für das Programm der Saison 2021 / 2022 und auf die kommenden Wochen – es ist aktuell ja nicht klar, ob die geplanten Veranstaltungen ab Februar bis Juni durchgeführt werden können. Die grösste Herausforderung ist aktuell definitiv die fehlende Planungssicherheit.

Wie fühlt ihr euch unterstützt? Wo müssten die Hebel angesetzt werden, damit die Kulturbranche gerettet werden kann? 

Manuel Quinter: Trotz der schwierigen Situation fühlen wir uns gut unterstützt. Die Anzahl der Vereinsmitglieder hat sich nahezu verdoppelt, es wurde viel Gare de Lion-Bier gekauft, die Sommerbar wurde gut besucht, unsere Lieferanten zeigten sich sehr flexibel und partnerschaftlich, es sind viele Spenden zusammengekommen und einige Künstler haben sogar auf ihre Gagen verzichtet. Wir sind auch sehr erfreut darüber, dass uns die Stadt Wil mit einer Überbrückungshilfe unter die Arme gegriffen hat. Das hat uns bislang nicht nur vor der Zahlungsunfähigkeit bewahrt, sondern zeigt auch grosse Wertschätzung gegenüber unserem Engagement.

Mike Sarbach: Verbesserungspotential sehen wir in den Ausfallentschädigungen des Bundes und des Kantons. Während die hochsubventionierten Kulturinstitutionen trotz Umsatzausfällen noch einen gewissen Spielraum für digitale Aufführungsformen oder alternative Formate haben und in einzelnen Fällen durch den Wegfall der defizitären Kulturveranstaltungen sogar Reserven anlegen können, sind uns die Hände gebunden. Wir finanzieren uns bekanntlich hauptsächlich selber über Gewinne aus der Gastronomie und die Durchführung von Tanzanlässen. Es besteht der Verdacht, dass der jeweiligen Erfolgslogik der einzelnen Betriebe zu wenig Rechnung getragen wird bei der Berechnung der Unterstützungsgelder. Die Ausfallentschädigung des Kantons von Mitte März bis Juni deckte keine 20 Prozent des ungedeckten finanziellen Schadens. Wir sind darauf angewiesen, dass die Hilfe für den zweiten Lockdown grosszügiger ausfallen wird.

Auch immer wieder ein Thema sind die diversen Sanierungsarbeiten. Wie ist da der Stand? 

Manuel Quinter: Das Parlament hat mit dem Budget 2021 einen Planungskredit gesprochen. Anschliessend hat sich die Bau- und Verkehrskommission das Gebäude genau angesehen, verschiedene Informationen eingeholt, den Bedarf erkannt und grundsätzlich grünes Licht gegeben. Im Moment wird das Vorprojekt «bauliche Ertüchtigung» vom Architekten-Team ausgearbeitet.

Sehen wir einmal von Corona ab. Welche Projekte oder Ziele wollt ihr künftig unbedingt erreichen? 

Mike Sarbach: Wir können es kaum erwarten, endlich wieder Gäste bei uns begrüssen zu dürfen und Veranstaltungen durchzuführen. Es muss endlich wieder Leben im Gare de Lion einkehren – das ist die Hauptsache. Zudem wollen wir, wenn immer möglich, bereits im nächsten Jahr wieder eine Ausgabe des Fête de Lion durchführen können und auch das anstehende Sanierungsprojekt wird uns in nächster Zeit noch intensiv beschäftigen.

Hallowil.ch, Manuela Bruhin, 12.1.2021

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